EL VY

Interview

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Seit Jahren tüftelen die beiden Musiker an ihrem ersten gemeinsamen Album. Was als Zeitvertreib auf den Touren ihrer Hauptprojekte The National und Menomena begann wurde nun zehn Jahre später ihr Debütalbum "Return To The Moon". Wir haben die beiden getroffen um mit ihnen über Inspirationen, Erwartungen und ihre Liebe zur Musik zu sprechen.

So weit ich weiss habt ihr euch vor 12 Jahren bei einer gemeinsamen Tour von The National und Menomena kennengelernt?

Brent Knopf: Keine Tour es war auf einem Gig. The National waren auf Tour und haben in unserer Heimatstadt gespielt und wir [Menomena] sind gemeinsam mit ihnen aufgetreten. Es war praktisch niemand da…
Matt Berninger: The National und Menomena haben sich bei diesem Gig angefreundet und haben als Resultat mehrere Touren gemeinsam gespielt und sind auch Jahre später Freunde geblieben. Vor ungefähr sechs Jahren kam Brent zu einer The National Show in Portland und leicht betrunken hab ich ihn nebenbei gebeten mir Reste zu schicken die er nicht für Menomena oder Ramona Falls braucht. Er dachte nicht, dass ich es ernst meine.
BK: Es fühlte sich nach viel Spaß an, aber ich weiß auch nicht, bis vor einem Jahr dachte ich nicht, dass es wirklich passiert.
MB: Er hat mir einen Ordner mit 450 Ideen geschickt und ich bin im Verlauf mehrerer Jahre immer wieder zu diesem Ordner zurückgekommen und habe einzelne Teile herausgepickt und sie in einen anderen Ordner gegeben den ich “The Moon” genannant habe. An manchen Teilen habe ich mit GarageBand getüftlet während ich mit The National auf Tour war aber ohne dem klaren Ziel daraus ein Album zu machen.

Ohne einem klaren Ziel an Musik zu arbeiten - macht das den kreativen Prozess abenteuerlicher? Oder freier?

BK: Ja schon, weil man soviel Spaß hat!
MB: Wir haben an den Songs gearbeitet und uns ständig gedacht “Oh Gott, ich hoffe wir machen eine gemeinsame Platte, weil ich liebe diesen Track” aber natürlich gegeben den Umständen mussten wir die ganze Sache auf Eis legen und wenn es dann mal gut verstaut ist fragt man sich natürlich ob man es tatsächlich jemals wieder da rausholt. Letztes Jahr haben wir es tatsächlich getan und es war sofort klar das wir diese Platte machen müssen.
Aber um die Frage zu beantworten ich denke die Tatsache, dass wir dafür keinen Zeitplan hatten und auch kein klares Ziel gab es auch keinen Druck. Das hat den Prozess natürlich beeinflusst wir konnten waghalsig sein. Wir haben uns gegenseitig Ideen geschickt, manchmal kam nichts zurück ausser “Danke, das klingt großartig”. Sehr sehr oft war die Antwort eher sowas wie “Ich verlier grad den Bezug dazu”. Was auch okay war. Ich bin aber froh, dass das schlussendlich doch nicht so war.

Als ihr zum erstem Mal über euer gemeinsames Projekt gesprochen habt, war euch klar welche Art von Musik ihr machen wollt?

BK: Ich denke wir haben nach einer Möglichkeit gesucht uns etwas mehr zu entfalten… Aber nein, wir haben im Vorfeld nicht wirklich darüber nachgedacht. Um ehrlich zu sein hat jeder Song eine Variation wenn es zum Sound kommt. Aber ab und zu haben wir uns von anderen Songs inspirieren lassen ala “Hey dieser Song von Love and Rockets ist wirklich cool - der Vibe des Songs ist wirklich cool”. Wir haben weniger über die Ästehtik gesprochene es war uns wichtiger welches Gefühl jeder Song hervorrufen würde.

MB: Oder ich habe Brent einen Minutemen Song geschickt aber weniger um einen MInutemen Song zu schreiben (das wäre auch unmöglich gewesen, die haben Punk Songs, Jazz Songs und akustische Balladen geschrieben) sondern weil sie sich selbst in keine Ecke oder in ein Genre drängen liesen - das war sehr inspirierend. Wir kannten Details die uns gefallen, wie Leonard Cohen's Keyboards oder D. Boons Gitarre aber wir hatten keine hochtrabenden Ideen wie das Album schlussendlich klingen sollte.

Wann habt ihr intensiv mit der Arbeit am "Return To The Moon" begonnen?

BK: Super-intensiv vermutlich letzten Oktober, oder? Als du nach Portland kamst und wir Schlagzeug-Parts mit meinem Freund, Drew Shoals, aufgenommen haben. Sobald wir im selben Raum waren war klar, dass dieses Album Wirklichkeit wird.

MB: Monate vergingen zwischen unseren Emails aber dieser Ordner mit unseren Song-Ideen wurde immer größer und nachdem ich mit The National die Trouble Will Find Me beendet hatte haben wir beschlossen das Album fertigzustellen. 80% der Arbeit haben wir letztes Jahr gemacht. “I`m The Man To Be” war der letzte Song den wir fertig gestellt haben und es war absolut leichtsinnig. Und leichtsinnig ist hier absolut positiv zu verstehen. Wir haben nicht versucht uns selbst zu kuratieren und zu editieren und haben im Endeffekt unser….Wie haben wir das genannt?

BK: Unser Bearbeitungshirn. Wir hatten keine Zeit Dinge zu überdenken.

Wie ging es euch bei der Zusammenarbeit? Hatten ihre künsterliche Differenzen?

BK: Ab und an hatten wie unterschiedliche Meinungen, oder haben über gewissen Passagen diskutiert die nicht wirklich funktioniert haben aber für mich blieb der Vibe zwischen uns stehts positiv.

MB: Es gab einen sehr gesunden Schutzwall zwischen uns das heißt wir wussten beide wo unsere Stärken liegen. Er hat mir vertraut und ich ihm. Die meiste Zeit waren wir nicht im selben Raum also bestand der erste Schritt unserer Zusammenarbeit darin einen Dropbox Link zu öffnen um herauszufinden, dass er fünf oder sechs Songs komplett umgestaltet hat. Aber genau das war das Besondere an der Sachen - jeder konnte mit den Songs machen was er wollte und es absolut okay. Wir haben einander vertraut.

Und niemand war in seinem Stolz verletzt wenn Ideen veärndert wurden?

BK: Natürlich liegen einem die eigenen Ideen besonders am Herzen… ‘I’m The Man To Be’ kam sehr spät, und da wir ihn auf der Platte haben wollten mussten wir andere Songs streichen an denen wir wirklich tausende Stunden gearbeitet haben..ich würde lügen wenn ich sage, das hatte keine emotionale Auswirkung auf mich. Aber wenn es eine Sache gibt die durch meine Arbeit mit Matt gelernt habe dann: Folge den besten Ideen. Man kann kurz rumheulen aber dann macht man weiter.

Matt, können wir kurz über Texte sprechen? Da läuft eine lose Liebesgeschichte durch das Album oder?

MB: Eine Liebesgeschichte zwischen den beiden Charakteren aber es gibt viele lose Teile und auch einen Cliff-Hanger am Ende. Aber ja, da ist dieser Charakter namens Didi Bloome und Michael, inspiriert von D. Boon und Mike Watt von Minuteman - aber es geht weniger um die beiden die eine Band gegründet haben sondern um ihre Freundschaft. Meine Tochter sieht sich oft Grease an und als ich den Songtext geschrieben hab dachte ich mir zwischen den beiden Charakteren passiert eine Danny und Sandy-ähnliche Geschichte. Ich mixe reale und fiktionale Personen gemeinsam mit mir selbst.

In Return To The Moon finden sich einige autobiografische Details über eure Jugend. Warum habt ihr euch auf diese Zeit fokussiert?

MB: Ich denke ich habe viel darüber nachgedacht wie ich so geworden bin, wie ich bin. Wie ich Musik entdeckt habe und wie es war in Cincinnati aufzuwachen und seine eigene Identität durch Musik zu finden. Man verlässt das “Kind-sein” und realisiert plötzlich “Das ist die Art von Person die ich bin, das ist die Musik mit der ich mich verbunden fühle und ich bin nicht alleine auf der Welt”. Manche Menschen finden ihre “Sippe” beim Sport oder ähnliches aber für mich war es Musik. Da sind kleine Teile aus meiner Kindheit und meiner Jugend, manches ist eine erfundene Kollage aus Geschichten, nicht nur von mir auch von Menschen die ich kenne.

Du beziehst dich auf den The Jockey Club in “Paul Is Alive”. Warst du jemals dort?

MB: Nein, er hat zugemacht bevor ich alt genug war um hinzugehen. Es war dieser Punk Club in Nord-Kentucky, auf der anderen Seite des Flusses wo ich gelebt habe und men älterer Cousin Peter hat uns davon erzählt. Er sah die Ramones, Black Flag und The Smiths dort. Für mich war die Vorstellung das Joey Ramone oder Morrisey durch die Strassen Cincinnati's laufen schlicht unmöglich - so als würde man ein Einhorn im Garten sehen. Es war einer der wenigen Orte im mittleren Osten wo Punk Bands einen Gig zwischen anderen Gigs spielen konnten. Ich ging früher in einen Laden der hieß “Cooter’s” an Sonntag Abend hatten sie von acht bis Mitternacht Alternative Music. Da spielten sie Bauhaus, Ministry, The Cure oder The Smiths und wir konnten dazu tanzen. Dort habe ich dann meine Kampfstiefel, meinen Trench Coat und meine schrecklichen Frisuren getragen und meine Freunde kennengelernt. The Jockey Club ist für mich ein symbolischer Ort wo ich meine Freunde kennengelernt habe.

Wie sahen die Abende in deiner Jugend aus, Brent?

BK: Meine Familie war sehr gläubig, also durfte ich mir erst mit 12 “weltliche” Platten kaufen. Und dann habe ich mir Depeche Mode, Sting oder sowas in die Richtung besorgt. Das war ein ziemlich riskantes Unterfangen. Damals habe ich mir auch Soul Cages gekauft, ich finde immer noch das ist eine großartige Platte.

MB: Ja, das ist sie.

BK: Also bevor ich mir Musik kaufen durfte habe ich hauptsächlich instrumentale Musik angehört weil es da keine verfänglichen Texte gab. Ich habe den Titeltrack von Beverly Hills Cop geliebt. Aber ich bin am Land aufgewachsen, das heißt im Sommer habe ich als Ferienjob Beeren gepflückt oder Heuballen auf Pick-Ups geworfen. Es war keine Metropole, es gab keine Nachtclubs. Sich da Depeche Mode anzuhören hat mich schon als den Sonderling ausgewiesen. Mein erster Gig war Oasis auf ihrer Definitely Maybe Tour - da war ich ein Junior in der High School.

MB: Wo hast du sie gesehen?

BK: Im La Luna in Portland, Oregon. Sie haben drei Songs gespielt, das Publikum angeheizt und sind von der Bühne gelaufen (lacht)

MB: Sowas verändert das Leben.

Warum hast du diese Phase deines Lebens mit deinem neuen Projekt beleuchtet und nicht mit The National?

MB: Ich weiß auch nicht, vielleicht weil ich ein sechsjähriges Kind habe und sehe wie sie sich entwickelt. Vorallem ihr zuzusehen wie besessen sie von dem Grease Soundtrack war. Ich war auch besessen davon als ich ein Kind war. Ich spielte Olivia Newton John viel öfter als es okay war, ich war so verliebt in sie. Und jetzt sehe ich meiner Tochter zu wie sie ihre Idenität findet, nicht nur dadurch aber auch mit anderen Dingen. Ich sehe wie sie selbst wird, wie sie ihre eigene Person wird und ich frage mich wie ich so geworden bin wie ich heute bin. Welche Faktoren haben da mitgespielt? Das war vielleicht der Grund warum ich mich mit keiner Kindheit und Jugend stärker auseinandergesetzt habe.

Denkst du wenn du in dieser Zeit an einem Album mit The National gearbeitet hättest, hätte es vielleicht ähnliche Themen umfasst? Oder war dies möglich mit diesem Projekt weil ihr keine Erwartungen von anderen hattet?

MB: Ich weiss es nicht. Die Texte kommen immer von der mentalen Suppe in der ich gerade schwimme, was auch immer das in dem Moment dann ist. Und die meisten Texte für dieses Album habe ich innerhalb ziemlich kurzer Zeit geschrieben. Zu der Zeit habe ich unheimlich viel Minutemen gehört, ich war süchtig nach ihrer Dokumentation “We Jam Econo”, ich habe also in die Texte das verpackt was grad so in meinem Kopf abging. Hätte ich an einem National Album gearbeitet wäre es vielleicht dort gelandet. Aber ich teile meine Ideen nicht nach Projekten auf - sie landen alle im selbem Ordner.

In “Paul Is Alive” singst du, “Beatlemania made my mother think the way she does.” Denkst du das Musik die Identität formt?

MB: Ja, auf jeden Fall. Ich habe gelernt das ich mich selbst entwickeln und akzeptieren muss und die Neugierde an mir selbst nicht verlieren darf - durch The Smiths, REM, Leonard Cohen und Nick Cave. Wenn man sich mit Musik auseinandersetzen und sich damit identifizieren kann, passiert das natürlich auf einer instinktiven Ebene aber ich glaube die wirkliche Verbindung ist die zu dem Menschen der diese ehrlichen und hässlichen Dinge über sich selbst und seine Gefühle in einen Song verpackt hat. Hässliche Gefühle und peinliche Momente sind willkommen in Songs. Man fühlt sich selbst besser wenn man die Erfahrungen anderer Menschen kennt. Diese ganze Sache mit Beatlemania ist nur eine Art auszudrücken wie Leute aus den letzten Generationen auf ihr Ketten abgelegt haben und aus sozialem Druck geflohen sind. Rock-Musik erlaubt es in die eigenartige, unbequeme Realitäten eines Menschen einzutauchen und was es heißt als Mensch auf dieser Welt zu leben - und das auf eine sehr direkte, lustige und intuitive Art und Weise. Rock Musik ist die direkte Verbindung zu der Seele, dem Bauch und dem Herz.

BK: Nicht exklusive, aber Rock Music für uns.

Oktober 2015