Noel Gallagher

Interview

null
Nach zwei Jahren ist Noel Gallagher wieder da mit einer brandheißen Single. Wir treffen ihn, um mit ihm über sein neues Album „Chasing Yesterday“ und seine lange Freundschaft zu Johnny Marr zu sprechen. Außerdem lüften wird das Geheimnis, warum er Weihnachten fast so gerne mag wie Wayne Rooney...

Glückwunsch zu Deinem zweiten Solo-Album. War es DAS schwierige zweite Album?

Danke sehr! Nein, ich verstehe es nicht als mein zweites Album. Es ist eher mein neuntes oder zehntes, wenn man alle zusammen nimmt. Es war jedenfalls nicht schwierig. Ich hatte es voll durchgeplant bevor ich ins Aufnahmestudio ging. Auf diese Weise saß ich nicht im Studio und hab auf kreative Eingebungen gewartet oder so; es war eigentlich alles fertig, bevor wir mit den Aufnahmen angefangen haben.

Das sagst Du so – aber dieses Mal warst Du selbst Dein eigener Produzent.

Ja, aber das war zu Anfang eigentlich gar nicht der Plan. Trotzdem lief es gut und ging quasi wie von selbst. Das wichtigste am Producer-Job ist ja, dass man die Verantwortung für ein Projekt übernimmt: kein Producer hat mir jemals inhaltlich reingeredet, von wegen ändere hier mal die Tonart oder so; das mache ich eh alles selbst. Trotzdem war es eine neue Erfahrung.

Würdest Du es denn nochmal machen?

Ja, doch, klar! Es war echt lustig und irgendwann kam ich tatsächlich auch an den Punkt zu sagen, jetzt ist es fertig! Es lief nämlich alles eher planlos ab und ich hab einfach losgelegt und als ich es dann aber irgendwann zu dem Typ brachte, der es abmischen sollte, meinte der „Oh, wow – echt großartig“!

Wenn Du völlig vertieft bist in die Arbeit im Studio, fällt es Dir manchmal schwer den Überblick zu behalten und Deine Vision zu verwirklichen?

Doch, schon, aber irgendwie mach ich das letztlich alles sehr instinktiv – das kommt von allein. Ich mach das inzwischen schon so lange – und ja auch mit einigem Erfolg – dass ich wirklich ein gutes Gefühl dafür entwickelt habe, einschätzen zu können, wann Sachen gut laufen und wann nicht. Glücklicherweise hab ich auch immer ein kleines, aber feines Team mit mir im Studio – und uns geht es da allen ähnlich: Wenn die Sache rund ist, merken wir das alle. Und wenn nicht, ist allen klar, dass wir was ändern müssen. Im Studio sollte man nicht rumdiskutieren. Wenn irgendwas nicht passt, dann muss man es lassen und an anderer Stelle weitermachen. Aus diesem Grund gehe ich auch nie mit weniger als 30 Songs ins Studio. Wenn dann ein Song einfach nicht funktioniert, lass ich ihn und mache einen anderen – wichtig ist, dass man im Flow bleibt und weitermacht.

Und bevor Du mit diesen 30 Songs ins Studio geht’s – zeigst Du sie irgend jemandem?

Nein, niemandem! Die erste Person, die dieSongs dann hört, ist Paul Stacey, mein Toningenieur und dann mein Drummer, Jeremy Stacey. Bis die Songs fertig sind, hört sie sonst wirklich niemand. Leute währenddessen nach ihrer Meinung zu fragen finde ich kontraproduktiv. Andersherum ist es genau so. Wenn ich Leuten meine ehrliche Meinung sage, sind sie oft beleidigt – Na, dann frag mich eben nicht! Das kennst Du auch, oder? Ich fang damit gar nicht erst an.

Beim neuen Album ist Johnny Marr zu hören?

Ja! Bei einem Stück ist Johnny jetzt auch endlich mal mit dabei. Ich hatte ihn eigentlich schon bei „What a life“ dabei haben wollen, aber damals konnte er nicht, weil er zu der Zeit gerade an einem Soundtrack in Hollywood gearbeitet hat. Dieses Mal hat es einfach gut gepasst. Er war gerade mit seinem neuen Album fertig als ich mittendrin war mit diesem. Ihm passte es terminlich und er kam für einen Tag aus Manchester rüber und wir haben was eingespielt. Das war super!

Gefällt Dir sein neues Album „Playland“?

Ja, sehr gut. „Easy Money“ ist eines der besten Stücke, die er je gemacht hat. Ich habe vor einiger Zeit einen Abend mit ihm in der Brixton Academy gespielt und war überwältigt von ihm; einfach laut und aufregend. Er ist begeistersfähig und enthusiastisch bei der Sache, und – total nervig – immer noch nur zwei Jahre älter als ich. Er macht das ja schon ewig und sieht trotzdem noch viel besser aus als ich... und spielt auch besser.

Ihr habt ja wirklich sehr ähnliche Wurzeln – seid Ihr Euch deshalb auch so sympathisch?

Ja, ich glaube schon. Wir stammen beide aus irischen Familien und sind aus Manchester. Ich hatte Poster von den „Smiths“ in meinem Jugendzimmer und er war die erste Person, die von außen zu Oasis und der ganzen Entourage damals dazukam. Und er war der erste, der sich überhaupt für mich als Gitarrist interessierte – so was vergisst man nicht! Wir beide waren in Bands, die ihre Generation wirklich geprägt haben, und – wir beide mussten mit echt komplizierten Sänger-Persönlichkeiten zurecht kommen.

Wie passt „In the Heat of the Moment“ in das Album?

Klar, im Kontext der Platte hat der Track etwas Belangloses. Daneben gibt’s auch noch „The Mexican“ – beides Songs, die nicht so tiefgehend sind wie die anderen auf dem Album – aber das hat auch seinen Grund. Die Songs sind auch gedacht als Erholung von den Texten und den zum Teil recht komplizierten Songstrukturen bei den anderen Stücken. Wenn man ein Album zusammenstellt braucht man auch Stücke, bei denen man einfach nur mitgehen kann ohne sich beim Hören extrem zu konzentrieren. Große Teile des Albums sind ziemlich poetisch, emotional und psychedelisch – es gibt viele Auf und Abs – und diese beide Stücke sind ganz simple Popsongs – aber mit wunderbaren Gitarrenriffs. Die sind schon wieder vorbei, bevor man sie realisiert hat – und trotzdem echt gute Singles.

Uns ist zu Ohren gekommen, dass der Song „Lock All the Doors“ 23 Jahre gebraucht hat um fertig zu werden. Warum hast Du so lange an dem Stück weitergemacht?

Der Refrain ist einfach super – den konnte man nicht einfach in der Schublade verstauben lassen. Aber es war wirklich so: die letzten 15 Jahre hab ich immer mal wieder an dem Stück gearbeitet, so alle zwei Monate in etwa, und hab immer gedacht: „Heute kommt der Durchbruch!“ Und dann hab ich mir nochmal den Refrain angehört und es passte wieder nicht. Alles, was ich geschrieben habe, hat nicht funktioniert. Die Harmonien waren die falschen. Aber eines Tages hatte ich es eben. Es war ein dunkler Wintersonntagabend und ich kam gerade von Supermarkt bei mir um die Ecke nach Hause. Und plötzlich hatte ich die Idee! Das ist wirklich eine der coolsten Sachen beim Songschreiben! Es kann Dich überall treffen! Der Anfang und die Melodie waren mir plötzlich ganz klar und ich bin schnell nach Hause, habe mir meine Gitarre geschnappt und habs einfach so runter gespielt. Und plötzlich passte es! 1000 Mal hatte ich schon genau so dagesessen und es war einfach nichts – aber ich hab eben immer weitergemacht und irgendwann hat’s doch geklappt. Und wenn den Leuten das jetzt nicht gefällt, dann können Sie mich mal!

Du startest mit Deiner Tournee in Belfast, stimmts?

Einen der besten Gigs, den Oasis jemals gemacht hat, war in der Belfast Arena. Ich kann gar nicht genau sagen, was es war... wie ein wildes Tier. Manchmal kommt man ja von der Bühne und denkt, das war ein super Auftritt und dann kommt der Tonmensch rein und sagt „Oh, nach der Hälfte sind leider die Boxen ausgefallen“ oder andersherum und alle sagen, das war wirklich gut und Du weißt genau, dass Du total schlecht gespielt hast. Aber ungefähr sechs Mal auf einer Tour trifft man sich nach dem Konzert in der Garderobe und alle sind sich einig, dass es ein genialer Abend war. Eines dieser Konzerte, an das man sich erinnern wird. Und das Konzert im Odyssey war definitiv so eins.

Auf der Bühne wirkst Du immer sehr entspannt. Bist Du auch manchmal nervös?

Nein, das kann man nicht durchhalten. Das kostet einfach zu viel Energie. Ängstlich bin ich wirklich nie, höchstens aufgeregt. Ich hab in der Regel so viel geprobt, dass ich weiß was ich tue. Und, das hört sich jetzt wahrscheinlich wirklich merkwürdig an, aber die Leute kommen ja um mich zu sehen und das, was ich am besten kann, ist ja ich selbst zu sein – es fällt mir quasi leicht, ich selbst zu sein. Was sollte da schief gehen oder mir Angst machen? Es gibt einen riesigen Stab an Leuten, deren Aufgabe es ist mich gut aussehen zu lassen und alles, was ich dann noch tun muss, ist die Songs zu singen, die ich selbst geschrieben habe. Und darin bin ich einfach gut – was soll da passieren?

Glücklicherweise mache ich Songs, bei denen die Leute gerne mitsingen und ich bin heilfroh, dass ich keine Riesenshow veranstalten muss – die Songs sind die eigentlichen Stars. Manchmal müsste ich gar kein Mikro benutzen: Ich beginne einfach mit dem Song und die Leute singen sofort los und würden gar nicht merken, dass sie mich nicht hören.

Unser guter alter Bono hat mir mal gesagt, solange deine Musik gut ist, brauchst Du nicht gut zu sein – und das ist wahr! Auch für U2. Du brauchst kein Überflieger zu sein solange Deine Songs wirklich stimmen. Du darfst natürlich auch kein Idiot sein – bis sechs Uhr morgens durchfeiern oder so was, sondern musst Profi sein und das machen, was die Leute hören wollen – aber wenn das funktioniert, was kann da schiefgehen?
Jetzt hab ich mir hier natürlich mein eigenes Grab geschaufelt, wenn das Konzert in Belfast nächsten März schlecht laufen sollte... (er schmunzelt). Aber mal ehrlich, wenn man mit der Einstellung rangeht, wird’s einfach auch großartig.


Weihnachten steht vor der Tür...

Ja, meine Lieblings-Jahreszeit.

Was war das verrückteste Geschenk, dass Du Dir je gewünscht hast?

Bei uns hatten Geschenke nicht so einen Stellenwert. Und wenn ich ehrlich bin, nervt mich Weihnachten unglaublich an. Ich weiß nicht, ich denk lieber nicht über Weihnachten nach. Mit Deiner Frage hast Du mir jetzt ehrlich gesagt den Tag versaut!

Was ist mit Deinen Kindern?

Klar, die kriegen alles, was man sich überhaupt nur vorstellen kann. Wenn man Samstagsmorgens mit ihnen fern sieht, dann geht es in einer Tour „Kann ich dies zu Weihnachten haben“ - „Ja“. „Kann ich jenes zu Weihnachten haben“ – „Ja... äh, NEIN! Das ist ein Katy Perry Album, das gibt’s sicher nicht“ u.s.w. Aber so ist das eben zu Weihnachten.

Als jemand, der in der Arbeiterklasse aufgewachsen ist, machst Du Dir jemals Gedanken darüber, sie zu sehr zu verwöhnen?

Ja, aber damit müssen sie auch selbst klar kommen. Ich kann mich einfach nicht zurückhalten mit meiner Liebe und meiner Aufmerksamkeit ihnen gegenüber, nur weil es sie zu sehr verwöhnen könnte. Damit müssen sie selbst handlen. Ich liebe sie eben und das ist ihr Problem. Und wenn ich sie zu sehr verwöhne, ist das auch ihr Problem. Und wenn sie später verwöhnte Teenager sind, dann ist es genau so. Ich werde mich also sicher nicht zurückhalten.

Zum Schluss: Wir haben uns gefragt, was Du dazu sagst, dass Wayne Rooney und Ed Sheeran zusammen singen?

Ah, meine zwei Lieblinge – was singen sie denn?

„Lego House“

Ich hasse Wayne Rooney. Oh Gott, ich kann ihn einfach nicht ausstehen. Er ist ein einfach zum ... (hält inne). Ich hab nichts gegen Ed Sheeran, er ist ein netter Typ, aber Wayne Rooney??? Er macht mich echt fertig. Es verhagelt mir den Tag an seinen kleines Hirn zu denken. Ich muss mich echt abregen – der Typ geht gar nicht. Darauf brauch ich erstmal einen Tequila...

November 2014