Tobias Jesso Jr.

Interview

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Quasi über Nacht wurde Tobias Jesso Jr. berühmt - nach erfolglosen Jahren in Hollywood hatte er seinen Traum bereits aufgegeben und zog zurück in seine Heimat Kanada. Ein YouTube Video später öffnen sich aus heiterem Himmel die Türen der Musikindustrie und renommierte Künstler, darunter Adele, outen sich als große Tobias Jesso Jr. Fans. Mit uns spricht er über die Entstehung seines Debüts und seinen schwierigen Weg zum Erfolg...

Hallo Tobias! Lass uns doch gleich im Thema starten - was ist deine früheste musikalische Erinnerung?

Oh Mann, dass bin ich noch nie gefragt worden. Ich bin mir sicher die meisten Menschen beantworten das mit "die Melodie einer Beethoven Symphonie die mir vorgespielt wurde als ich noch im Bauch meiner Mutter war". In meinem Fall is es wohl eher ein Song der Fugees den ich mit ungefähr zwölf angehört habe. Das war das erstem Mal, dass ich mir dachte "Wow, das ist richtig gut."

Kommst du aus einer sehr musikalischen Familie?

Nein überhaupt nicht. Jeder ist extrem unmusikalisch - inklusive mir.

Wie kam es dann zu deiner bisherigen Karriere?

Ich weiß es nicht. Ich hab vermutlich damit angefangen um ein Mädchen zu beeindrucken - ich hab einfach mal eine Gitarre in die Hand genommen und gesagt "Oh, kuck mal was ich kann". Aber ich war schon immer ein sehr großer Fan von Melodien und ich schreibe sehr gerne Songs. Aber wenn man als Kind so überlegt was einen interessiert oder was man mal später werden will da kam zum Beispiel Mathe nicht in Frage für mich - darin bin ich mies. Melodien und Songs hingegen waren meine Stärken, deshalb blieb ich wohl dabei.

Du warst auch mal in einer Band die "The Sessions" hieß?

Ja das stimmt. Ich bin als letzes Mitglied dazugestossen. Ich kam dazu weil ich Bass spielen konnte - das einfachste Instrument in einer Band - und dann blieb ich da einfach für ein paar Jahre. Dann bin ich von Vancouver nach Hollywood gezogen - wieder um Bass zu spielen, dieses Mal aber für einen Pop Sänger.

Und diese Erfahrung hast du dann in deinem Song "Hollywood" verarbeitet?

...naja. "Hollywood" ist über die nicht ganz so erfolgreiche Zeit die man da verbringen kann. Aber ja, es geht um die gesamte Zeit dort und wie es mir ging als einige Jahre vergangen sind.

Hat dich diese ganze Erfahrung desillusioniert im Bezug auf die Musikindustrie?

Nicht zwingend desillusioniert, weil ich mit der Musikindustrie überhaupt keinen Kontakt hatte. Ich wusste nicht welche Tür ich öffnen muss um die Musikindustrie überhaupt sehen zu können. Das ist total eigenartig denn als sich diese Tür öffnete und JR (der ehemalige Girls Bassist Chet “JR” White ) meine Demos herumgereicht hat habe ich wirklich jeden innerhalb weniger Monate kennengelernt. Aber davor war es eine verschlossene Tür. Ich habe meine Demos zwar Freunden und anderen Künstlern gezeigt aber ich hatte keine Verbindungen zur Industrie - ich kannte auch keine Produzenten. Aber kaum hatte ich das ganze Klavier Ding gestartet standen alle Türen offen.

Du hast erst als zu nach Vancouver zurück gekehrt bist mit dem Klavier spielen angefangen oder? Oder hast du davor schon einmal gespielt?

Ein kleines bisschen. Ich konnte die Stücke die jeder kann, aber ich war - und bin immer noch kein Profi.

War es immer dein Plan diese Songs mit anderen Leuten zu teilen?

Um ehrlich zu sein, war es schon irgendwie in meinem Hinterkopf. Ich dachte schon, dass es gut genug ist, aber irgendwie hab ich mir eher vorgestellt es in zehn Jahren wieder herauszukramen oder es mal meiner zukünftigen Frau zu zeigen. Sehr viele Gedanken habe ich mir nicht gemacht, aber im Endeffekt hab ich es auf YouTube gestellt weil ich einfach sehr zufrieden war wie die Songs geworden sind.

Wann haben die ersten angebissen nachdem du "Just A Dream" auf YouTube gestellt hast?

Sofort. Ich hatte ein anderes Video ein Jahr davor hochgeladen und das blieb konstant auf ca. 20 Views, aber als ich diese Demos ins Netz gestellt habe waren es jeden Tag 40 Views mehr. Und dann hat eine komplett fremde Person kommentiert wie toll die Songs sind und plötzlich haben sich Leute bei mir gemeldet und alles hat seinen Lauf genommen. Zum ersten Mal hat es sich angefühlt als würde ich gute Musik machen deshalb wollte ich auch weitermachen und neue Songs schreiben.

Deine Demos sind um einiges reduzierter als die Versionen der Songs die es auf Goon zu hören gibt - war es immer deine Absicht sie zu veröffentlichen?

Nicht unbedingt, das war einfach in einem egoistischen Moment als ich zuhause war. Aber als ich mich mit JR getroffen habe um über das Album zu sprechen haben wir über all die möglichen Routen gesprochen die ich gehen kann. Er gab mir sehr viele gute Ratschläge und natürlich wollte er auch etwas zu der ganzen Sache beitragen immerhin war er der Produzenten und ich finde seine Arbeit toll. Als ich dann ins Studio ging fand ich die Idee aufregend neue Dinge auszuprobieren und ich wollte auch nicht zwingend jeden einzelnen Song auf das Piano reduzieren sondern wollte sehen was JR alles mit den Songs machen kann. Und jetzt musst du mir sagen ob er versagt hat oder einen guten Job abgeliefert hat.

Es ist ein gutes Album!

(lacht) Danke.

Du scheints oft mit Songwritern wie Harry Nilsson, Todd Rundgren und Emitt Rhodes verglichen zu werden - war deren Arbeit ein Anhaltungspunkt für dich?

Als wir das Album aufgenommen haben auf jeden Fall, aber nicht als ich die Songs geschrieben habe. Als ich "Just A Dream" oder noch vier weitere Songs geschrieben hatte ich Nilsson und Rundgren noch gar nicht gehört. Aber als JR begann mit mir zu arbeiten hat er mir diese Künstler empfohlen. Lustigerweise waren diese Songwriter nicht mal aus der selben Ära. Ich bin nicht wirklich bewandert wenn es um Musikgeschichte geht also wusste ich nicht mal wie die 70iger klingen. Aber als ich diese Chords hörte war ich absolut begeistert.

Ich glaube es ist ähnlich wie mit Kleidung, Akkorde sind mal in Mode mal nicht, ich glaube nicht das dieser Carole King Sound in den lezten Jahren oft zu finden war. Also ich diesen speziellen Akkord für "Just A Dream" verwendet habe dachten viele vermutich der wäre neu aber im Endeffekt habe ich nur etwas Bestehendes wieder aufgegriffen. Wer weiß vielleicht werden diese Akkorde jetzt wieder modern und ich muss mir für das neue Album etwas neues einfallen lassen.

In einem Interview mit dem englischen Magazin "New Musical Express" hast du den Titel deines Albums beschrieben als ein Wort für einen "hoffnungslosen dummen Typ der es nicht schafft Liebe auszudrücken" Wenn man sich das Album anhört klingt es aber so als könntest du Gefühle ziemlich gut ausdrücken...

Wie kannst du es wagen (lacht)! Ich habe erst vor kurzem darüber nachgedacht was der Albumtitel Goon (engli.: Trottel) eigentlich heißt - ich glaube ich mag das Wort einfach gern und sein Album so zu nennen hat auch etwas selbstironisches. Dadurch vermeide ich auch dass Leute Dinge sagen wie "Oh, das ist ein super trauriger Junge mit einem sehr ernsten Albumtitel der sehr ernst über seine Gefühle spricht."

Ich wollte den Unterschied zeigen zwischen wie Menschen mich sehen und wie ich in Wirklichkeit bin weil ich generell ein ziemlich fröhlicher Typ bin und herumalbere. Ein romantisches, trauriges und seriöses Album "Goon" zu nennen zeigt das für mich auch.

Sind die Texte auf dem Album autobiografisch?

Ja auf jeden Fall - so ziemlich alle sind autobiografisch. Ich habe versucht mit Geschichten herumzuexperimentieren aber ich bin einfach nicht so kreativ in der Hinsicht. Ich kann mir nur schwer vorstellen über Dinge zu schreiben die ich nicht aus eigener Erfahrung kenne.

Ist es unangenehm diese persönliche Dinge live zu präsentieren?

Es ist generell unangenehm live zu performen. Ich habe in meinem Leben noch nicht oft performed und ich versuche mich immer noch an meine Stimme zu gewöhnen und sie dazuzubringen das zu tun was ich möchte. Ich weine nicht auf der Bühne oder so weil diese Songs einfach schon älter sind. Es ist immer noch sehr nervenaufreibend zu versuchen alles richtig zu machen auf der Bühne, aber ich hoffe ich gewöhne mich daran.

Wir müssen dich bei dieser Gelegenheit natürlich auf den Tweet von Adele ansprechen - sie hat ihre Stille gebrochen als sie deinen Song empfohlen hat...

Ja! Das war verrückt!

Bist du ein großer Fan ihrer Musik?

Machst du Witze? Ich bin der allergrößte Adele Fan. Sie ist meine absolute Lieblingskünsterlin.

Warst du seit dem mit ihr in Kontakt?

Nein, aber ich habe definitiv damit angegeben.

Schenken dir die Leute mehr Aufmerksamkeit seit dem?

Ich gebe MIR mehr Aufmerksamkeit (lacht) Aber nein es hat sich nichts verändert seit dem, ich gehe nicht aus meinem Haus und treffen automatisch auf 50 Adele Fans. Es war eher etwas persönliches. Es hat mich richtig benebelt vor Freude.

Also können wir uns auf eine Zusammenarbeit in der Zukunft freuen?

Ich wäre auf jeden Fall dabei! Aber ich denke es gibt niemanden auf dieser Welt der nicht gerne mit Adele zusammenarbeiten möchte.

Zum Schluss noch - was wünscht du dir dass die Leute mitnehmen wenn sie sich Goon anhören?

Was auch immer sie wollen. Wenn sie sich in den Songs wiedersehen und einfach etwas persönliches davon mitnehmen können - egal ob es sie glücklich oder traurig macht - das wäre schon großartig. Jeder Songwriter wünscht sich, dass die Leute sich in seinen Texten wiederfinden und etwas damit anfangen können. Es würde freuen wenn meine Texte die Leute berühren.

März 2015