Dan Mangan

Interview

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Mit seinem neuen Album Club Meds ändert Juno-Gewinner Dan Mangan seine Rolle von Solokünstler zu Frontman und von Folk-Musiker zu Alternative Rocker mit politischen Texten. Im Interview erzählt er wie seine neue Rolle als Vater, die Occupy Wall Street Bewegung und die neue Dynamik als Band das neues Album beeinflusst haben.

Drei Jahre sind seit deinem letzten Album “Oh Fortune” vergangen - Was ist in der Zwischenzeit passiert?

So einiges. Ich habe für (den Soundtrack) den neuen Simon Pegg Films (Hectors Reise oder Die Suche nach dem Glück) gearbeitet, was im Endeffekt dann doch ein ziemlich großes Projekt war, und ich hab mir eine berufliche Auszeit genommen weil ich Vater geworden bin. Wir (die Band) haben für eine lange Zeit sehr intensiv gearbeitet und jeder von uns musste erst mal Luft holen bevor wir beginnen konnten an diesem Album zu arbeiten.

Du hast bereits eine Weile gemeinsam mit Blacksmith live gespielt, warum habt ihr es nun offiziel gemacht?

Es wurde zunehmend klar, dass wir zu einem Ensemble herangewachsen waren, nicht nur ein Songwriter der umgeben ist von ein paar Studiomusikern. Ich spiele mit Kenton und Johnny (Rythmussektion) seit circa sieben Jahren und mit den anderen seit circa fünf, von dem her wurde es zunehmend eigenartig nur meinen Namen auf den Konzerttickets zu sehen und auch nur mein Gesicht in den Magazinen. Es hat nicht wiedergespiegelt was wirklich abging.
Es ist immer schwierig ein Sache die sich schon so etabliert hat zu ändern – immerhin kamen wir schon sehr weit mit „Dan Mangan“ als Namen. Ich denke, die zeitliche und räumliche Distanz hat uns gezeigt was die Band genau war.

Inwiefern hat das den kreativen Prozess von Club Meds beeinflusst?
Habt ihr bei diesem Album alles gemeinsam gemacht?

Auf jeden Fall viel mehr als zuvor. Die Texte und Melodien kamen immer noch hauptsächlich von mir, aber wenn es darum ging wie sich der Song anfühlen sollte, wie er sich entwickeln soll und seine Struktur waren die Jungs extrem wichtig. So gesehen war der kreative Prozess wenn es darum ging eine Basis für das Album festzulegen absolut gemeinschaftlich – wir haben die Songs gemeinsam kreiert. Ich denke jeder hatte das Gefühl seine Meinung frei äußern zu können, wir hatten eine Art „Open door“ Policy und jeder konnte sagen was er dachte, dadurch konnte sich jeder sicher fühlen wenn es um den kreativen Prozess ging und auch als individueller Künstler hinter dem Album stehen.

Es muss sehr schwer gewesen sein diese gewohnte Kontrolle über das Album aufzugeben? Immerhin hattest du bisher während deiner gesamten Karriere immer das finale Wort...

Ja, klar ab und zu musste ich tief Luft holen, weil ich es gewohnt war das letzte Wort zu haben. Und ich denke bis zu einem gewissen Grad hatte ich eine Art „Einspruchsrecht“, dass ich glücklichweise aber nie nutzen musste. Ich arbeite mit ein paar wirklichen tollen Musikern zusammen und über die Jahre hat sich viel Vertrauen aufgebaut. Wir hatten definitv ein paar sehr aufgeheizte Diskussionen und so manche angespannte Momente im Studio aber genau dadurch wurde das Album besser. Wir haben uns gegenseitig gepushed um das bestmögliche Ergebnis zu erreichen und wir hörten erst auf als wir das erreicht hatten.

Club Medis ist (musikalisch) viel umfangreicher und sturkturierte als die vorherigen Alben. Was war das kreative Ziel?

Durch die Arbeit an anderen Projekten fühlte ich mich wohler neue Dinge auszuprobieren und auf neue Art und Weisen an einen Sound heranzugehen, sprich musikalische Strukturen mit Synths zu kreieren, mit Midis und Drum Machines zu arbeiten und ähnliches - früher war ich doch eher ein sehr akkustischer Junge. Ich glaube auch meine Art Songs zu schreiben hat sich über die Zeit verändert, aber auch die Tatsache, dass ich jetzt im Stande bin zu produzieren, immerhin gab es eine Zeit da hätte ich nicht mal gewusst wo ich einige Sounds die wir auf diesem Album haben überhaupt finden könnte.
Textlich und musikalisch denke ich, dass Club Meds eine Art Kräftemessen ist. Wir sind einerseits keine Band die „Click Tracks“ benutzt, daher sind die Songs angestiegen und verebt, beschleunigt und verlangsamt. Sie sind nicht perfekt und dadurch auch menschlich. Auf der anderen Seite ist das Album überlagert mit verschiedenen Strukturen von synthetischen, elektronischen Sounds. Unsere Regel war, dass der synthetischen Sound niemals diese Menschlichkeit übertrumpfen soll und das ist die Analogie für das Album, und generell die Philosophie dahinter.
Menschen tendieren dazu quasi roboterhaft Dinge zu tun die wir tun müssen, gleichzeit haben wir auch diese Momente der Offenbarung wenn wir uns sehr verbunden oder menschlich fühlen. Wir bewegen uns konstant zwischen diesen beiden Polen. Das wollte ich auch mit dem Album wiederspiegeln, um sicherzugehen dass es immer noch diese emotionalen Reaktionen hervorruft, egal welche Sounds wir verwenden um diese Überlagerungen zu kreieren.

Und diese musikalische Ehrlichkeit knüpft an die zentralen Themen des Albums an; Club Meds handelt davon wie wir uns von der Wahrheit entweder betäuben, täuschen oder ablenken lassen oder?

Absolut, ja. Im philosophischen Sinne, handelt es von der persönlichen Ehrlichkeit sich auch schwierige Fragen zu stellen – auch wenn man vielleicht vor den Antworten Angst hat – und sich in der eigenen Haut akzeptieren muss. Man kann zu einem isolierten Paradies reisen aber man kann nie vor sich selbst fliehen, wenn du nicht mit dir selbst Frieden geschlossen hast, wirst du nie Frieden schließen. Das lustige daran ist, dass ab der Sekunde wo wir aufhören uns Sorgen zu machen und wir genau das akzeptieren was und wie wir sind, werden wir unwiderstehlich. Sobald man also aufhört zu versuchen etwas „Brilliantes“ zu sein erlauben wir uns noch brillianter zu sein als wir uns jemals erhofft hätten.

Warum greift ihr diese Themen genau jetzt auf?

Es ist interessant, zu Beginn meiner Karriere haben ich die Welt der Musik irgendwie phantastisch gesehen, ich wollte einfach nur einen Platz am Tischen haben, Teil davon sein, ich wollte so sein wie die Bands die ich angebetet habe. Ausserhalb Kanadas waren wir vielleicht nicht so bekannt, aber die letzten sechs Jahre in unserer Heimat waren unglaublich. Plötzlich haben wir ein Publikum, und wir wissen wenn wir ein Album veröffentlichen werden die Leute es hören. Es ist eine außergewöhnlich glückliche Position in der man sein kann deshalb mussten wir rausfinden was zum Teufel wir damit machen wollen.

Ich glaube außerdem Kinder zu haben ändert so einiges, es macht einen weicher, aber es erhöht auch den eigenen Anspruch. Ich möchte sicher gehen, dass ich mich auf Risiken einlasse und über Dinge schreibe die sich für mich ehrlich und bedeutungsvoll anfühlen. Für eine lange Zeit habe ich auf den Charme oder „irgendetwas Süßes“ in meiner Musik vertraut - quasi wie ein Ass in Ärmel. Ich bin immer noch eine sehr freundliche Person, und ich werde auch in Zukunft ein netter Typ bleiben aber wenn es um meine Karriere geht fühl ich mich nicht mehr „süß“. Von dem her denke ich hat sich einfach der Ton verändert.

Club Meds fühlt sich auch politischer an als deine vorangegangen Alben. Der Song „XVI“ scheint sich an die Occupy-Wall-Street-Bewegung zu richten?

In gewisser Weise, ja. Obwohl es diese große Unterstützungswelle für diese Bewerbung gab, hat es sich so angefühlt als würde es nicht machen was ich gerne gehabt hätte. Ich hatte dieses Bild im Kopf von Franzosen die Versailles stürmen und Louis und Marie Antoinette die im Schloss entspannen. Sie möchten das französische Volk nicht böswillig hungern lassen, aber alles was ihnen beigebracht wurde war tun und lassen zu können was immer sie wollten – sie wissen es einfach nicht besser. Für mich was das sehr ähnlich zu einem Banker im oberen Stockwerk einer riesigen Bank an der Wall Street. Sie leben schlicht in einem anderen Universum als all die Menschen auf die sich ihre Entscheidungen auswirken.
Der Song kommt von dieser Vorstellung, dass ein Banker einen Brief an seine Familie schreibt während dieses Tumults der Rezession – und seine Familie frägt ihn: „Stimmt es was alle erzählen? Das ihr uns komplett verascht?“ Und er antwortet: „Ja, das ist exakt was wir getan haben, aber es ist komplizierter als das.“
Während der Occupy-Bewegung hat es sich für mich angefühlt als gäbe es diese Trennung, zwischen priviligierten und nicht-priviligierten Menschen, die es für beide Seiten unmöglich gemacht hat die Schwierigkeiten der jeweilig anderen Seiten zu verstehen. Solange kein gemeinschaftliches Einfühlvermögen oder Verständnis aufgebracht wird is es sehr schwierig sich zu erreichen. Und auch wenn mein Herz sehr auf Seiten der 99% ist, ist es immer noch ein „Wir vs. Sie“ Spiel, in dem man sich weit von einander entfernt und "die anderen" werden Monster im eigenen Kopf.

Diesen echten Zorn spührt man auch in „Mouthpiece“ mit der Schreckensversion von brennenden Büchern und Gehirnwäsche. Was war die Inspiration zu diesem Song?

Ich habe rund um 2012 viel von Margart Atwood gelesen – „The Handsmaids Tale“ (dt. Der Report der Magd) ,Oryx und Crake und ein paar Kurzgeschichten. Sie hat diese unglaubliche Art Dystopien und futuristische Szenarien zu beschreiben. Es hat ein Feuer in mir entfacht, und ich dachte über diesen betäubten und bewusst blinden Ort nach, an den wir alle gehen können.
Wenn ich Bücher lese bringt es mich dazu ausserhalb meines alltäglichen Horizonts zu denken und ich fühle mich sehr lebendig, als wären Blitze in meinem Blut. Ich erinnere mich, dass ich mir dachte „Mann, was passiert wenn es eine Art „Neue Welt Revolution“ gibt und alle Bücher die ich lesen will wären die Bücher die zuerst verbrennt werden“. Die Songzeile „I want to breathe in all the ashes of the books they try to burn” (dt.: Ich möchte die Asche all der Bücher einatmen die sie versuchen zu verbrennen) bezieht sich auf die Tatsache, dass sobald du ein Buch wirklich verstanden hast geht es in Fleisch und Blut über - dieses Wissen kann man dir nicht mehr nehmen.
Viele Elemente dieses Songs fühlen sich an als wären sie schon lange Zeit in mir gewesen, im Kern meines politischen Selbsts sozusagen und ich wurde älter und besser diese Ideen zu artikulieren. Ich denke wenn du einen Song schreibst der wirklich politisch sein soll, ist der Ton ist ungemein wichtig. Wenn du deine persönliche Botschaft zuvielen Menschen auf einmal vermitteln willst verliert man schnell den eigentlichen Sinn der Sache. Eine andere Zeile die wirklich wichtig für mich ist lautet „Those who pretend to believe hardest might actually begin to“ (dt.: Die so tun als würden sie am stärksten dran glauben, beginnen eventuell gerade damit).

Wie kam es zu der Zeile?

Es ist die Vorstellung das man von Leuten umgeben ist die alle so tun als würden sie an die selbe Sache glauben. Die einfachste Option wäre es einfach mitzumachen aber wenn du beginnst nur so zu tun als würdest du etwas gern tun endest du vielleicht damit den eigentlich Grund, warum du das alles gestartet hast zu verlieren. Sobald du etwas auf ein Podest stellst, egal ob Patriotismus, Religion, Familie oder Politik und sagst „lass das ja in Ruhe, das bedeutet mir etwas“ kann es schnell mal schief laufen.
Wenn man aufhört hinter etwas zu blicken weil es eventuell nicht ganz so perfekt ist wie man gedacht hat, wählt man bewusst blind durch die Welt zu gehen. Und um ehrlich zu sein ist das ziemlich beängstigend, denn sobald Menschen beschließen blind durchs Leben zu gehen haben sie keine Kontrolle mehr über all die Dinge die rund um sie passieren. Es ist verblüffend wie schnell wir uns in Schafe verwandeln können.

Dennoch endet das Album mit Hoffnung – nämlich dem finalen Track New Skies?

Ja schon, aber mehr im schwermütigen Sinn (lacht) Es ist witzig, ich wollte das Album nicht mit einer „Antwort“ abschließen oder mit einer „Alles wird gut“ Botschaft. Nachdem ich den Song fertig hatte, habe ich realisiert, dass ich mich von Lou Reeds „Perfect Day“ inspirieren ließ – im Sinne das dieser wunderschöne Text diese schönen Dinge beschreibt und die Musik dazu sehr traurig ist.
Es ist nur halb ernst gemeint aber trotzdem drückt es irgendwie ziemlich deutlich aus, dass das Leben einfach super verrückt sein kann und ein Kampf aber es is genauso unfassbar schön. Ausserdem wenn man sich selbst zu ernst nimmt, verpasst man ziemlich viel von dem absurden Sch** den man genießen könnte. Von dem her wollte ich es eher mit einem Fragezeichen abschließen nach dem Motto: Ich habe zu nichts hier die richtige Antwort aber ich habe hier diesen Sack voller Gedanken den ich gerne mit dir teilen will, und vielleicht denken manche von euch ja genauso wie ich.“

Jänner 2015