Villagers

Interview

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Während der Vorgänger noch voller elektronischer Sounds war verzichtet VILLAGES bei seinem neuen Album "Darling Arithmetic" komplett auf die Hilfsmittel. Weder die von Syntesisern noch die von anderen Menschen. Allein, und zum größten Teil in einem kleinen Haus in der irischen Einöde hat er sein neues Album aufgenommen. Hier spricht er mit uns über das Thema Liebe in der Popmusik, Homophobie und Herzschmerz.

Hi Conor! Gratuliere zu deinem neuen Album. Darling Arithmetic wirkt viel direkter und autobiografischer als die Vorgänger...

Ja, es ist auf jeden Fall ein sehr persönliches Album. Ich schreibe über meine eigenen Erfahrungen, Erinnerungen und Emotionen.

Was hat dich gerade jetzt dazu veranlasst dich so zu öffnen?

Ich habe mich immer sehr wohl gefühlt mit meinem Privatleben, und ich bin auch ein sehr privater Mensch – ich fand es immer sehr eigenartig fremden Menschen oder Journalisten davon zu erzählen. Ich hab mich also nicht immer wirklich wohl gefühlt mich in dieser Richtung zu öffnen bis ich nunmal etwas hatte aus dem ich etwas schönen gestalten und darüber reden konnte. Es hat sich natürlich angefühlt und ist vermutlich deshalb einfach so passiert...

Zum allerersten Mal sprichst du offen über Liebe und Trennungen – hast du das Thema bewusst vermieden in der Vergangenheit?

Liebe ist auf jeden Fall das überstrapazierteste Thema das es in der Popkultur gibt, aber andererseits bietet es auch unglaublich viel Inspiration und ich wollte auch meinen Teil zur „Love Song Sektion“ beitragen. Ich glaube nicht, dass ich das Thema bewusst vermieden habe, es liegt wohl eher daran dass meine Ideen und Vorstellungen von Liebe und Romantik mit sehr viel Altbalast verbunden ist weil es diese Gefühle von Homophobie und Engstirnigkeit wieder vervorbringt die ich erlebt habe. Ich wollte sicher gehen wenn ich mich mit dem Thema befasse dann will ich auch auf einer emotionaler Basis damit umgehen können. Heute bin ich dazu in der Lage, vor fünf Jahren hätte ich dieses Album so vermutlich nicht machen können.

Hat dir die Arbeit an diesem Album dahingehend auch persönlich geholfen?

Auf jeden Fall, es war auf jeden Fall eine Art Selbsttherapie. Ich bin selbstsicher genug um zuzugeben dass viele meiner Texte eine Art Therapie sind, das konnte ich früher nicht. Ich hatte immer das Gefühl man lässt sich dadurch etwas gehen und gesteht Schwäche ein. Aber bei diesem Album habe ich entschlossen nur für mich zu schreiben und als ich dann diesen ganzen Ballast hinter mir gelassen hatte viel mir auf welche allgemeine Gültigkeit die Songs bekamen. Das war eine sehr nette Entdeckung.

Kommen all diese vergangen Gefühle - gut oder schlecht - wieder hoch wenn du live performst?

Ja das tun sie aber in einer positiven Weise. Auch wenn ich an Songs schreibe die das Ende einer Beziehung thematisieren - man verbringt soviel Zeit damit die Gefühle in Worte zu verpacken und einen wirklich schönen Song daraus zu machen den man auch jeden Abend singen will, es ist fast wie ein Testament die die Wertigkeit der Beziehung manifestiert. Ich hoffe dieses Album wird jeder Person die es in gewisser Weise mitgestaltet hat gerecht. Ich liebe es aufzutreten, auch wenn ich mich mit meiner Musik an dunkle Orte begebe machen mich die Songs stark.

Wie du bereits erwähnt hast, in “Little Bigot” und “Hot Scary Summer” teilst du deine Erfahrungen mit Homophobie. Ist das ein Thema das aus den Protesten rund um die olympischen Spiele in Sochi entstanden ist? Worüber du auch den Song ‘Occupy Your Mind’ geschrieben hast?

In der Zeit als ich ‘Occupy Your Mind’ geschrieben habe, habe ich ununterbrochen über die Situation in Russland gelesen. All die Berichte über Menschen die in Russland attackiert wurden haben mich total entsetzt, ich musste einfach darüber schreiben.

Aber bezüglich Homophobie und Bigotterie wollte ich ein Album schreiben das über Liebe im universellen Sinne handelt. Es ist mir wichtig, dass dieses Album als ein Album über Beziehungen und Liebe verstanden wird, aus einer homosexuellen Perspektive, aber jeder, unabhängig von seiner sexuellen Orientierung, soll sich mit den Songs identifizieren können. Es war mir wichtig nicht belehrend rüber zu kommen.

Zudem komme ich aus Irland, wir hatten das Ehe Referendum und Panti Bliss (irische Dragqueen) hat eine Rede über Homophobie gehalten die zu dieser riesen Sache geworden ist - all diese Dinge haben diese Empörung genährt die ich ich schon immer beim Schreiben meiner Songs hatte. Ich denke der Song hat mir geholfen “Dampf abzulassen” und hat den Songs Raum gegeben zu atmen, damit man sie als “menschlich” erkennt und nicht als “schwule Songs” abtut (lacht).

https://www.youtube.com/watch?v=Y7Wot63VSGg

Hast du den Eindruck das Irland in dieser Richtung aufgeklärter wird?

Ja es verändert sich drastisch und das freut mich sehr zu sehen. Als ich aufgewachsen bin hatte die Kirche sehr viel macht über Bildung und Politik was bedeutete, dass ich während meiner Kindheit immer das Gefühl hatte ich kann nicht der Mensch sein der ich wollte. Gott sei Dank habe ich eine sehr aufgeschlossene Familie... Viele Menschen befinden sich nicht in der selben glücklichen Lage, aber als homosexueller Teenager in den späten 90igern oder frühen Nullerjahren aufzuwachsen war nicht besonders angenehm. Man hatte auf jeden Fall das Gefühl das man sich verstecken musste.

Wann war für dich klar dass du im Gegensatz zu {Awayland} alleine arbeiten willst?

Der ganze Prozess vom Schreiben der Songs bis zu den Aufnahmen hat ungefähr acht Monate gedauert, und bei der Hälfte habe ich realisiert wie intim die Songs klingen. Ich mochte die Art der Songs, sie waren nicht ganz perfekt und unbeschränkt. Auf dem Album hört man zum größten Teil die Aufnahmen die ich zu Hause aufgenommen habe. Als ich meine Stimme aufgenommen habe dachte ich niemand würde das jemals hören also sind sie sehr nackt und emotional. Ich konnte mir nicht vorstellen diese Tonspuren so wie sie geworden sind in einem Studio noch einmal so hinzubekommen - also lies ich die Aufnahmen so wie sie waren. Man hört auch die Vögel zwitschern auf einer der Vokalspuren (lacht).


Was ich bei diesem Album sehr genossen habe waren alle die Aspekte die es mit sich bringt wenn man sich dazu entschließt ein Album allein aufzunehmen - das Aufnehmen der Songs, das Mixing und das Spielen der Instrumente. Alles hatte Einfluss auf die Songs, einmal bin ich über einen Drumbeat gestolpert der den Text des Songs total verändert hat - alle kreativen Prozesse flossen ineinander über.

Kannst du uns mehr über den Titeltrack des Albums erzählen?

Das ist um ehrlich zu sein sogar der älteste Song des Albums, ich habe ihn geschrieben bevor ich mein letztes Album veröffentlicht habe, aber auf das hat er irgendwie nicht gepasst.
Ausserdem war es auch ein Song der mir sehr nahe geht und ich kann ihn nicht vor irgendjemand spielen weil er von einem Todesfall handelt und wie es sich anfühlt jemanden zu verlieren.

Es fiel mir schwer den Song zu schreiben ohne zu emotional zu werden, deshalb habe ich den Namen der Person einfach mit “arithmetic” ersetzt. Dadurch konnte ich mehr Distanz zum Song herstellen und meine Emotionen auf andere Dinge lenken. Als “Darling Artithmetic” dann fertig war habe ich erst realisiert wieviele Metaphern in ihm steckt und ich habe den Titel so gelassen wie er war.
Die Arithmetik beschreibt die Basis der Mathematik, dieses Wort dann mit “Darling” zu verbinden leitet dahin, dass es sich um die Basis aller Beziehungen handelt, die mit der Familie, mit den Freunden mit den Menschen die wir lieben und unseren Geliebten. Und diese Menschen sind die Basis von allem was in deinem Leben passiert - und die Tatsache das zu realisieren. Darüber handelt das Album.

Als ich den Rest des Albums geschrieben habe wurde mir klar das dieser Song endlich ein Zuhause gefunden hat - er war das Kernstück des Album und alle anderen Songs betten ihn ein.

Hast du irgendetwas über dich selbst gelernt während du an diesem Album gearbeitet hast?

Das ist eine schwierige Frage. Ich erinnere mich dass ich phasenweise überrascht war wie die Songs schlussendlich klangen - so wie “Oh wow ich hatte keine Ahnung das ich das gemacht habe”. Der Song “No One To Blame” handelt von einer unerwiederten Liebe. Während ich ihn schrieb hab ich realsiert das ich dieses Lied für mein Teenager-Ich schreibe, er tröstet mich.

Hat sich deine Motivation Musik zu machen über die Jahre verändert?

Die Motivation ist immer eine andere. Wie ich schon gesagt habe, ich nahm viel von meiner kreativen Inspiration von einer gewissen Empörung und ich hatte Angst diesen innerlichen Ärger zu verlieren - immerhin war ich es gewohnt daraus meine kreative Energie zu schöpfen. Ich war es von klein auf gewohnt mich unterdrückt zu fühlen und der Gesellschaft nicht zu entsprechen - das gab mir sehr viel Inspiration für meine Songs. Aber in der Zwischenzeit habe ich diesen Ärger losgelassen - diesen Album war die absolute Katharsis für mich. Das macht mir etwas Angst, weil ich nicht weiß woher ich die Energie für das nächste Album bekomme.

Ausserdem, sollte ich noch ein Album veröffentlichen - im Falle ich lebe um es zu machen (lacht) - werde ich einen komplett neuen Zugang dazu haben, weil ich zum ersten Mal keine Songs über habe oder irgendetwas aus der Vergangenheit, dass ich verwenden könnte. Ich werde komplett von Vorne beginnen - und ich bin schon aufgeregt deswegen.

April 2015